Nr. 2 Nimm Dir die Zeit, Du selbst zu sein 

Kennst Du das – ein permanent schlechtes Gewissen? Ich weiß nicht, woher das kommt, aber ich war eine Meisterin darin, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ständig hatte ich das Gefühl, niemandem so richtig gerecht zu werden, weder meinem Freund, noch meinem Hund, noch meiner Familie oder meinen Freunden, meinem Arbeitgeber – und am wenigsten mir selbst. Weil ich immer das Gefühl hatte, ich müsste mir mehr Zeit für sie (bzw. mich) nehmen. Müsste mich mehr interessieren, besser kümmern, mich öfter melden, mehr leisten, mehr unternehmen, freundlicher sein, meinen Haushalt besser führen, mehr Sport machen, mich gesünder ernähren, mir einfach `mal die Zeit für ein gutes Buch bei einer Tasse Tee nehmen… Und dann war – schwupp - der Tag vorbei, ich hatte zwar viel erledigt, aber fühlte mich komplett gehetzt, ausgelaugt und latent unzufrieden, weil ich dachte, ich hätte mir für die Wesen und Dinge, die mir wichtig sind, nicht genug Zeit genommen, mich nicht genügend interessiert, gekümmert… (siehe oben).

So eine Einstellung kann eine*n ganz schön schaffen! Vermutlich hängt das mit irgendwelchen frühkindlichen Prägungen zusammen, auch wenn ich mich nicht erinnern kann, dass meine Eltern besonders leistungsorientiert gewesen wären. Oder ich habe mich einfach unbewusst oder bewusst von unserer Leistungsgesellschaft beeinflussen lassen, der Trend geht ja schon lange zur „Selbstoptimierung“.

Das Ganze ging schließlich so weit, dass ich vor ein paar Jahren an meine Leistungsgrenzen stieß und im wahrsten Sinne des Wortes dann gar nichts mehr ging. Man nennt das auch „Burnout“. Das ist nicht schön, wirklich nicht. Vor allem wenn man dann, wie ich, sich auch noch schlecht dafür fühlt, dass man zusammengeklappt ist: „Jetzt stell Dich doch nicht so an, Du hast doch noch nicht einmal Kinder?! Was sollen denn andere sagen, die schaffen das doch auch?!“ Ich frage mich wirklich oft, wie andere das schaffen, Familie, Job und Haushalt und Partnerschaft und Beziehungen und Hobbies und ich weiß nicht was noch alles unter einen Hut zu bringen?!? Vermutlich bin ich einfach nicht belastbar!?

Ihr seht schon, das sind ganz ungesunde Gedankengänge, die mich damals beschäftigt haben und – ich gebe es zu – auch heute noch regelmäßig beschäftigen. Doch mittlerweile weiß ich, Dank diverser Therapiegespräche und meiner weiteren Entwicklung, die viel mit Selbstreflektion, Achtsamkeit, Atmen, Meditation, Dankbarkeit und Zeit-für-mich-nehmen zu tun hat – und tatsächlich auch mit Tierkommunikation: Tiere sind oft wirklich weise Lehrer! – dass es überhaupt nichts bringt, sich zu vergleichen. Und die Ansprüche an sich selbst so hoch zu schrauben. Überhaupt nichts! Was die eine vollkommen cool bleiben lässt, ist für den anderen Stress pur. Wichtig ist doch, dass man auf sich achtet und erkennt, wenn etwas zu viel wird.

Und außerdem: Wer sagt denn, dass Personen, bei denen alles immer so leicht aussieht, nicht auch an sich und ihren Fähigkeiten zweifeln und glauben, sie würden niemandem gerecht werden? Eben, man weiß es einfach nicht! Zumindest nicht, solange man nicht mit dieser Person gesprochen und auch wirklich eine ehrliche Antwort auf alle Fragen bekommen hat.

Und da kommen wir schon zum nächsten Punkt: Wer ist denn schon gerne schonungslos ehrlich und zeigt sich ganz genau so, wie man eben ist? Mit allen Stärken und Schwächen und Schrulligkeiten? Aber wäre das nicht einfach wunderbar und befreiend, einfach man selbst sein zu können? Ganz ohne Angst? Ganz ohne Maskerade? Ganz ohne Vergleichen?
Es erfordert sicherlich einiges an Mut, denn man macht sich angreifbar, wenn man sich verletzlich und unvollkommen zeigt, wenn man Schwächen zugibt. Aber wir Menschen sind nun einmal unvollkommene Wesen. Und solange wir alle unser Mögliches geben, offen und liebevoll und mitfühlend, freundlich und respektvoll mit allen Wesen – und das beinhaltet auch uns selbst! - umzugehen, ist das doch völlig in Ordnung, finde ich.

Diese Gedanken und noch viel mehr müssen in der letzten Zeit tief in mir gearbeitet haben, denn heute Morgen wachte ich auf, und irgendetwas war anders. Ich hatte es mir mit meinem Hund und einer Tasse Tee noch einmal im Bett gemütlich gemacht, um zu meditieren. Und während ich da so sitze, den Moment genieße und mich in mich selbst versenke, war es mir auf einmal so klar – nicht nur wie bisher rein rational, verstandesmäßig, sondern wirklich mit jeder Faser meines Körpers – Ich darf einfach Ich sein!

Einfach ich. So, wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten. Mit allen Stärken und vermeintlichen Fehlern und Schwächen. Mit meiner Fröhlichkeit, meinem Lachen und meiner Freude über die scheinbar alltäglich kleinen Dinge, mit denen ich manche Leute nerve. Mit all meiner Emotionalität, so dass mir oft die Tränen kommen und manche Leute peinlich berührt sind. Mit meinem Mitgefühl für den halb vertrockneten Regenwurm, dem ich über die Straße helfe und von manchen Leuten dafür seltsam angesehen werde. Aber auch mit meiner Trauer und Verzweiflung und Wut, die mich ab und zu überkommen, wenn ich zu viel Nachrichtensendungen sehe oder wenn jemand meine Grenzen überschreitet. Mit all meinen Ängsten und Zweifeln und Sorgen. Mit all meiner Unvollkommenheit.

Ich muss niemandem mehr etwas beweisen – auch mir nicht. Ich darf einfach ich sein. Ich darf SEIN. Einfach so. Und Du auch! Das ist ein ungemein befreiendes Gefühl.

Was ich damit sagen will: Sei einfach Du. Es wird schließlich immer Leute geben, die nicht nachvollziehen können, was Du machst oder wie Du bist. Die Hauptsache ist doch, dass Du es weißt. Und hör` bitte auf, Dich zu vergleichen – Du bist perfekt, so wie Du bist 😊